Liebe Leserinnen und Leser,
der Winter ist vorbei: es gibt folglich keine Wintergedanken mehr. Und den Wintergedanken folgen jetzt die Frühlingsgedanken, was an sich schon viel freundlicher klingt.
Heute will ich mich mit dem Thema „Veränderung“ beschäftigen, weil es mich schon seit Tagen umtreibt.
Das grundsätzliche Problem scheint zu sein, dass wir in der Politik Veränderungen brauchen, damit wir eine positive Zukunft gestalten, negative Entwicklungen in Vorfeld begegnen und Fehler der Vergangenheit korrigieren können. Dem steht eine fast schon kollektive Angst vieler gegenüber, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben, die Kontrolle über sich und das System zu verlieren, zu scheitern oder sich aus der eigenen Komfortzone begeben zu müssen. Oft ist es auch so, dass wir uns oft eher an schmerzhafte Misserfolge erinnern als an unsere Erfolge.
Es gibt also einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Politikern, die eigentlich verändern müssten, und den vielen Bürgerinnen und Bürgern, die keine Veränderungen wollen. Es ist also naheliegend, ihnen zu versprechen, dass alles so bleibt wie es ist und dass man vielleicht zu guten alten Zeiten zurückkehren kann, die es – soweit ich mich erinnern kann – nie wirklich gab.
Welche Folgen hat das? Das ist erst einmal der Populismus, der die Ängste dieser Veränderungsskeptiker bedient. Eine Kernaussage ist, dass die angenommene politische Elite die Bedürfnisse des „Volkes“ nicht versteht, das wiederum keine fortschrittsorientierte Politik will. Und diesen Gedanken hängen sich dann gelegentlich gemäßigte Parteien an, die populistisch sein wollen. Das beste Beispiel sind die Koalitionsverhandlungen, die gerade stattfanden: Zwei Themenbereiche, die man hier bespielt, um dem sogenannten „Volkswillen“ entgegenzukommen, sind die Migrationspoilitik und das sog. „Heizungsgesetz“.
Anstatt sich zu überlegen, warum es uns nicht gelingt, die willigen Migranten, die meist viel Geld aufgebracht haben, um nach Deutschland zu kommen, in den Arbeitsmarkt so zu integrieren, dass daraus eine Win-Win-Situation entsteht – hier zufriedene Migranten, dort zufriedene Arbeitgeber – versucht man eine gewaltige Rolle rückwärts. In eine Zeit vor 2015. Das sind zehn Jahre! Jetzt setzt man wieder auf die Abschreckungskarte, indem man versucht, abgelehnte Asylanten möglichst öffentlichkeitswirksam anzuschieben. Wahrscheinlich will man auch noch die Bedingungen in den Aufnahmelagern verschlechtern. Was man schon gemacht hat, ist, dass man den Menschen, die Asylanträge stellten, den Anspruch auf psychotherapeutische Hilfe versagt. Welch Irrsinn, bei Personen, die oft massive Gewalterfahrungen hinter sich haben.
Welche Folgen hat so eine Rolle rückwärts? Es wird kein einziges Problem gelöst werden. Wir werden weiterhin islamistisch motivierte Anschläge von jungen Männern haben, denen von Predigern eingetrichtert wurde, dass sie ihrem verpfuschten Leben nur einen Sinn geben können, indem sie für die einzig wahre Religion kämpfen und deren Feinde vernichten. Nimmt man einem Menschen einen vernünftigen Lebenssinn, wird es sich abseits der Vernunft einen suchen. Man nimmt den Arbeitgebern mögliche Arbeitskräfte und destabilisiert die Infrastruktur in vielen Bereichen. Nichts wir besser werden und der Fortschritt wird an uns vorbeirauschen. Aber vorerst wurde niemand verunsichert.
Wer ein besseres Leben verspricht, indem er die Vergangenheit heraufbeschwört, ist ein Betrüger und Scharlatan.
Oder die versprochene Abschaffung des Heizungsgesetzes, bei dessen Entstehung vieles – besonders was die Kommunikation betrifft – schlecht war. Es liegt jetzt aktuell noch eine Fassung vor, bei der jeder vernünftige Bürger versteht, dass es schlau ist, jetzt die Heizung so auszutauschen, dass am Schluss möglichst wenig fossile Energie verwendet wird. Warum ist das so? Zum einen, weil der Staat den Umstieg massiv unterstützt, zum anderen, weil in absehbarer Zeit der Preis auf fossile Energie (Öl, Gas) durch die CO2-Bepreisung massiv steigen wird. Es ist schlauer, jetzt umzustellen, als dann, wenn die Nachfrage nach modernen Heizungssystemen nach oben rauscht und damit natürlich auch die Preise. Warum will man das Gesetz kippen? Weil es angeblich schlecht ist. Das ist natürlich Quatsch. Die neue Koalition will es kippen, weil sich vor drei Jahren viele Menschen darüber aufgeregt haben und diese Aufregung maßgeblich von der Union befeuert wurde. Die Union bangt wahrscheinlich um ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie das Gesetz jetzt unangetastet lässt, weil es doch besser ist, als sie es geredet hat. Am liebsten würde sie das Gesetz wohl ganz streichen, aber das geht nicht, weil Europarecht dagegenspricht. Warum da die SPD mitspielt, ist mir auch ein Rätsel.
Die Koalition würde wohl gerne die Zeit zurückdrehen und den ganzen Quatsch der Vergangenheit wieder aufkochen – aus Angst vor Veränderung. Das Blöde ist nur, dass sich die Welt permanent verändert und wir eigentlich nur die Möglichkeiten haben, diese Veränderungen mitzugestalten, mit ihnen mitzuhalten oder zurückzubleiben. Wenn wir uns nicht den Veränderungen anpassen, wird die moderne Welt an uns vorbeiziehen.
Am deutlichsten sieht man das gerade an der Automobilindustrie. Vor 20 Jahren war China für sie ein großer Absatzmarkt und über Joint Ventures auch so etwas wie eine „verlängerte Werkbank“. Das Geschäft mit China sicherte deutschen Wohlstand. Und jetzt? China ist auch wegen massiver staatlicher Fördermaßnahmen ein ernsthafter Konkurrent im Bereich der Elektromobilität. NIO und BYD sind Marken, die auch bald auf deutschen Straßen immer häufiger zu sehen werden, weil sie preiswert sind. Ohne Batterien und Softwarelösungen aus China würde kein deutsches E-Auto fahren; inzwischen werden ganze Autos wie der Dacia Spring oder der BMW iX3 dort produziert und bei uns unter einem europäischen Label verkauft. Das ist nur ein Bereich, in dem wir uns der Veränderung verschlossen haben und in dem wir überholt wurden.
Das wird sich nicht mehr ändern, zumal China bald auch poiltisch die einzige verbliebene Weltmacht sein wird: Russland hängt wirtschaftlich und politisch spätestens seit dem Unkrainekrieg am chinesischen Gängelband; und wenn Trump weiterhin amerikanische Positionen in den Ländern Afrika und Asiens aufgibt und sich aus den internationalen Organisationen zurückzieht, wird ein Vakuum entstehen, das ein Land füllen wird: China. Europa wird wohl kaum eine Rolle spielen, weil es als Gemeinschaft demokratischer Staaten einfach zu langsam ist.
Fazit: Eine Politik, die nur die gegenwärtige Situation stabilisieren will, braucht an sich niemand. Dazu würden schlagkräftige Verwaltungen reichen. Ernsthafte und verantwortungsvolle Politik muss Veränderungen gestalten und den Mut haben, sich in den Gegensatz zu einer Bevölkerung zu bringen, die am liebsten alles beim Alten belassen würde. Diesen Mut muss sie haben, um glaubwürdig zu bleiben, da sie auch die Pflicht hat, die Bürger vor zukünftigen Bedrohungen zu schützen.
Worum geht es das nächste Mal? Wahrscheinlich versuche ich zu erklären, warum es in den letzten Jahren so viele Insolvenzen gab und warum das nichts mit grüner Wirtschaftspolitik zu tun hat. Vielen Dank an die Dame, die mich auf diese Idee gebracht hat.
Christian Feja
Wahre Worte, die leider nicht gehört oder verstanden werden.