Raus aus der Komfortzone!

Am 7.4.2021 wurde im Hirschauer Stadtrat der Haushalt verabschiedet. Dazu hielten die Fraktionsvorsitzenden und der Stadtrat von Bündnis90/die Grünen, Christian Feja, ihre Haushaltsreden.

Haushaltsrede von Christian Feja, Stadtrat von Bündnis90/ die Grünen:

Ich habe im letzten Jahr, meine Rede mit folgenden Kästner-Worten eingeleitet:

„„Wird’s besser? Wird’s schlimmer?“

fragt man alljährlich.

Aber seien wir ehrlich,

das Leben ist immer

lebensgefährlich“

Was wir festhalten müssen: Es wurde schlimmer. Corona hat einen neuen Höchststand erreicht; die Gewerbesteuereinnahmen haben sich nicht so erholt, wie wir es erhofft hatten – die Hoffnung war trügerisch. Aber Corona hätte uns nicht davon abhalten können, das eine oder andere auf den Weg zu bringen. Corona hatte uns Zeit geschenkt.

Ich hatte dem Haushalt im letzten Jahr zugestimmt, denn ich sah ihn als ein großes Versprechen an unsere Wähler und Bürger für eine ökologisches, buntes und zukunftsgewandtes Hirschau.

Ich sah ihn als Auftrag, dass wir als Stadtrat den finanziellen Rahmen mit Leben füllen, in dem zukünftige Generationen hier ein noch besseres Leben führen können als wir es bereits tun.

Ich sah ihn als Auftrag, dass wir als Stadtrat den Rahmen dafür schaffen, dass mehr junge Familien in der Region bleiben oder sich gerne bei uns niederlassen.

Ist unser Hirschau ökologischer, bunter und zukunftsgewandter geworden? – NEIN?

Haben wir irgendetwas gemacht, damit die zukünftigen Generationen hier ein noch besseres Leben führen können als wir es bereits tun? – NEIN

Haben wir irgendetwas gemacht, dass mehr junge Familien in der Region bleiben oder sich gerne bei uns niederlassen, um unser Gemeinwesen zu verjüngen und zu bereichern? – NEIN

Was haben wir dann gemacht? Wir haben den Mangel verwaltet! Wir haben den Mangel schlecht verwaltet! Wir haben nicht an den richtigen Stellen gespart (siehe Verwaltungsgutachten) Und wir haben – was viel schlimmer ist – nicht an den richtigen Stellen Impulse gesetzt oder nichts investiert. Wo ist der vom Bürgermeister in seiner Antrittsrede angekündigte Neuanfang? Wo sind die neuen Ideen? Wo ist der Aufbruch?

Ich habe mir noch einmal das CSU-Wahlprogramm durchgelesen und frage mich: Wo hat die CSU als stärkste Partei im Stadtrat gezeigt, dass es ihr Ernst ist mit

  • dem Ausbau der Geh- und Radwege
  • dem multifunktionalen Marktplatz
  • Der Planung einer Skaterbahn
  • Der Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe
  • Der Förderung von Car-Sharing und Mitfahrangelegenheiten
  • Dem Leerstandmanagement zur Belebung des Stadtkerns
  • Dem Ausbau von Geh- und Radwegen
  • Den E-Ladesäulen
  • Usw.

Ich will euch nicht euer Wahlprogramm um die Ohren klatschen. Ich will nur betonen: Ihr habt eine Mehrheit und damit die Freiheit, etwas zu ändern. Und wer die Freiheit hat, hat aber auch die Verantwortung! Es reicht nicht, Fehler vermeiden zu wollen. Ich erwarte von euch auch Impulse. Viele eurer Versprechungen habt ihr nicht umgesetzt. Das meiste war Schall und Rauch. Folklore statt Fortschritt. Lederhose statt Laptop.

Neues Thema: Was ist denn aus der hochgelobten gemeinsamen Zukunftswerkstatt geworden? Dafür gibt es immerhin einen Flyer – als Entwurf! Warum geht da nichts voran? Hier ist immer noch Potential! Ist vielleicht der Stadtrat der falsche Ort dafür, etwas zu entwickeln, was von der Dynamik lebt? Vielleicht wäre ein Verein die bessere Organisationsform?

Gibt es ökogische Leuchtturmprojekte, für die alle der hier anwesenden Stadträte zu gewinnen wären? Einzig erwähnenswert wäre der Radwegausbau Richtung Steiningloh. Aber das ist kein Leuchtturm, sondern allenfalls ein Teelicht.

Wo sind all die neuen und meist auch jüngeren Stadträte geblieben, die meist von jungen Bürgern gewählt wurden, damit sie ihre Interessen vertreten? Warum muss ich alter Dackel ran, wenn es darum geht, das Schwimmbad zu öffnen, was eure Wähler lautstark fordern? Warum höre ich nichts von euch, wenn es um angemessene Freizeiteinrichtungen geht?

Wenn ich die Sätze der jungen Stadträte zähle, die sie hier in einem Jahr geäußert haben, werde ich kaum auf 50 kommen. Das ist zu wenig!

Warum übernehmt ihr nicht mehr Verantwortung. Warum erhebt ihr nicht eure Stimme? Warum höre ich von euch nichts (den Florentin nehme ich hier aus) Es geht hier um die Zukunft eurer Generation. Es geht darum, dass diese Stadt nicht vergreist! Es ist besonders eure Aufgabe, dafür zu sorgen, dass junge Familien hierbleiben wollen oder sich hier willkommen fühlen. Und da ist es nicht damit getan, ab und an eine Kirwa oder eine Plattenparty zu organisieren. Macht euch Gedanken! Ergreift Initiative! Das seid ihr euren Wählern schuldig. Setzt euch auch mal zusammen, parteiübergreifend! Das ist ein Generationenprojekt und kein Parteiprojekt! Und ich verspreche euch, dass jeder Fraktionsvorsitzende in diesem Saal euch das danken wird.

Jetzt könnte man sagen: Was redet er da? Im Haushalt geht es doch gar nicht um den Stadtrat, sondern um die Verwaltung! Er regt sich doch völlig umsonst auf. Nein, liebe Stadträte, so geht das Spiel nicht. Eine Verwaltung ist ein exekutives Organ, ein ausführendes. Und eine Verwaltung arbeitet in dem Rahmen und unter den Vorgaben, die wir ihr bieten. Und daher ist sie quasi der Spiegel unserer Arbeit. Und wenn wir uns damit begnügen, die Gegenwart zu verwalten, wird die Verwaltung das nicht ändern. Verwaltungen verwalten; der Stadtrat muss gestalten!

Doch schauen wir uns trotzdem die Verwaltung an: Wo sind die drei, ich wiederhole: drei Bürgermeister, die Impulse setzen könnten, wenn sie könnten und wenn sie wollten? Sie ergehen sich wahrscheinlich auch darin, Fehler zu vermeiden und die Gegenwart zu verwalten. Auch das ist nicht genug.

  • Bringt die Verwaltung auf Vordermann! Macht sie schlanker und effektiver!
  • Fördert Zusammenarbeit und Synergien! Schaut über die Grenzen, was andere Städte und Gemeinden besser machen! Schaut, wo sie klug sparen! Vernetzt euch! Lasst auch mal Auswärtige ran!
  • Und hört vielleicht auch einmal auf den Personalrat! Auch dort sind Mitarbeiter vernetzt und hören Neues!
  • Schafft Transparenz, damit das Gerede aufhört, dass in Hirschau doch nur alles unter der Hand verhandelt wird!

Eure Stichworte müssen „Optimierung“, „Vernetzung“ und „Transparenz“ heißen!

Es gibt, sehr geehrte Stadträte, nichts, aber auch gar nichts, was besser geworden ist, worauf wir stolz sein können, wenn wir auf dieses Jahr zurückblicken. Wir haben ein Jahr – Wie will ich es formulieren? „in Behäbigkeit“ wäre zu schwach „in einer kaum zu übertreffenden Lahmarschigkeit“ zu derb … was wäre das richtige Wort? Ich weiß es nicht. Wir haben einfach ein Jahr verblödelt. Und die Schulden steigen weiter! Auf 12 Millionen insgesamt! Wie hoch ist die Prokopfverschuldung? Ich will es gar nicht wissen. Wofür? Für ein Jahr, in dem wieder der Mangel verwaltet wird?

Um es deutlich zu sagen: Ich bin für jede Form der Zusammenarbeit zu haben. Und ich glaube, dass ihr in diesem Jahr gemerkt habt, dass ich nicht beiße und durchaus in dem einen oder anderen Bereich kompetent bin – auch wenn in meiner Brust ein grünes Herz schlägt.

Vielleicht sehe ich auch deshalb einiges etwas anders, weil ich – vor mehr als 20 Jahren – zugezogen bin und mir den distanzierten Blick des Auswärtigen etwas bewahrt habe, auch weil dies ein optimistischer Blick ist: Ich wurde in Hirschau gut aufgenommen und schätze bis heute die große Freundlichkeit, Toleranz und Offenheit der Mitbürger. In den fünf Jahren, die ich bei Memmingen lebte, war das ganz anders. Ich habe Hirschau als eine Stadt erlebt, in der es viel Miteinander und guten Willen gibt. Das sollten wir nutzen!

Ich habe auch registriert, dass Hirschau keine Schlafstadt zwischen Amberg und Weiden geworden ist, sondern sich viel Eigenleben bewahrt hat, auch wegen unserer Globalplayer (Das Wort habe ich nur deshalb gewählt, weil es sich im Fränkischen so schön aussprechen lässt) die vielen unserer Mitbürgern Arbeit vor Ort bieten. Auch das sollten wir nutzen!

Was ich aber nie verstanden habe, ist, dass dieses Hirschau so behaglich normal neben diesen großen Firmen leben kann, die europäisch und international denken. Wie ist das möglich? Ginge das nicht auch anders? Könnten wir das nicht auch nutzen?

Fazit: Ich glaube, dass wir in Hirschau ein großes Potential haben, aber das müssen wir nützen! Aber das müssen wir auch wollen!

Wahrscheinlich kann ich in vielen Bereichen helfen, Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Aber ich kann das nicht alleine! Ich bin hier das grüne Einzelmitglied! Hinter mir steht keine Fraktion, die mich entlasten kann. Ich bin ganz weit davon entfernt, etwas durchsetzen zu können. Aber ich bin für jede Form der Mitarbeit zu haben.

Dennoch: Ich bin ernüchtert und auch etwas enttäuscht, vielleicht auch, weil ich unser Potential sehe!  Und man muss aber auch sehen, dass jeder Haushalt eine Wette auf die Zukunft eines Gemeinwesens ist. Und weil ich unter den gegebenen Umständen noch nicht an das „Projekt Hirschau“ glaube, stimme ich dem Haushaltsentwurf nicht zu.

Überzeugt mich im nächsten Jahr! Dann sieht das vielleicht anders aus.

Erich Kästner, den ich schon am Anfang zitiert habe, dichtete einmal:

Es gibt nichts Gutes,

Außer man tut es!

In diesem Sinne: Glück auf!

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