35 Jahre Atomkatastrophe Tschernobyl

Vielleicht sollten wir uns, jetzt, wenn sich der 35 Jahrestag von Tschernobyl jährt, immer wieder daran erinnern, wie segensreich es ist, dass sich die Bundesrepublik aus der friedlichen Nutzung der Atomkraft verabschiedet hat. Wir sollten auch immer mitdenken, dass vieles, worüber wir uns heute beklagen, wie große Solaranlagen oder Windparks notwendig ist, um die Atomkraft zu ersetzen.

Der Kreisverband Amberg-Sulzbach rief heute seine Mitglieder auf, Beiträge zu verfassen, in denen sie von ihren Tschernobyl-Erlebnissen berichten. Da dies auf Facebook veröffentlich wird, werde ich zum einen meinen Beitrag hier veröffentlichen und gleichzeitig euch, liebe Freunde, bitten, mir eure Erlebnisse zu schicken. Vielleicht habt ihr ja auch noch ein passendes Bild aus dieser Zeit. Schickt das bitte an chrisfeja@gmail.com!

Tschernobyl und Frankenwein

Das Setting: Langsam fraß sich die die Nachricht von dem havarierten Reaktor durch die Medien. Zuerst hörte man von einer Giftwolke in Skandinavien, die immer größer wurde, dann wanderte sie nach Süden und irgendwann war sie auch bei uns in Bayern Realität: vor dem Verzehr von Freilandgemüse wurde gewarnt, Sandkästen auf Spielplätzen wurden gesperrt, viel Unsicherheit, viel Unwissenheit. Alles war irgendwie unwirklich.

Christian Feja, damals 25 Jahre alt

Was geschah: Mein Freund Robert und ich, beide bekennende Linke und sowohl in der Friedensbewegung als auch im Linkskatholizismus aktiv, wurden von Prof. Endres, unserem Mentor und Professor für Fränkische Landesgeschichte, zu einem sog. Ryla-Seminar der Rotarier geschickt, einem Seminar zur Jugendförderung. Tagungsort der Ellertshäuser See bei Schweinfurt, also nicht weit vom Kerngebiet fränkischer Weine entfernt. Lange war unklar, ob das Seminar überhaupt stattfinden würde.

Etwa 30 junge Menschen, in meiner Erinnerung wohl nur Männer, waren zusammengekommen, um sich von den Rotariern weiterbilden zu lassen. Und das Thema war „Die Sicherheit der Atomkraft“. Und was dann ein Wochenende lang passierte, war mehr als skurril: Mitarbeiter der KWU (Kraftwerksunion), einer Siemens-Tochter, die Atomkraftwerke herstellte und verkaufte, erklärten uns einige Tage, nachdem Tschernobyl außer Kontrolle geraten war und unwissende Rettungskräfte in den schleichenden Tod geschickt worden waren, wie Atomkraftwerke aufgebaut seien, welche hohen Nutzen sie hätten und wie gering das Risiko sei, dass jemals Radioaktivität freigesetzt werde. Mit vielen bunten Bildern, einem Filmchen und Statistiken ohne Ende. Und mit ganz viel Ernst, während gleichzeitig beim Mittagessen der Salat an den Rand des Tellers geschoben und beim Gemüse nach der Herkunft und dem Datum der Ernte gefragt wurde. Eigentlich hatte uns unser Professor nur zu dem Seminar geschickt, damit wir den Laden etwas aufmischen und die Selbstgefälligkeit der Siemensianer erschüttern, aber das war nicht nötig. Sie entlarvten sich selbst.

Höhepunkt war dann die Rede eines Rotarierchefs namens Sandler, der uns erklärte, dass wir die Zukunft der Nation seien. Die Zukunft der Nation entdeckte dann am Abend, als nicht ganz klar war, ob es gut ist, das Haus zu verlassen, einen gut gefüllten Weinkeller, dessen Inhalt ihr wohl von den Rotarieren zur Verfügung gestellt worden war … Der Abend war lustig und laut und die Zukunft der Nation am nächsten Tag angemessen verkatert.

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