Ein Jahr im Stadtrat – ein Rückblick (Teil 2)

Sicherlich musste ich mich an vieles gewöhnen, weil es fremd war und ich immer noch unerfahren bin. Aber dieses Fremde ist natürlich auch interessant. Es schon faszinierend, ein Teil einer Gruppe von 20 Personen zu sein, die nichts weiter verbindet als der Umstand, dass sie einen Teil ihrer Freizeit dafür einzusetzen, dass es diesem Gemeinwesen Hirschau gut geht. Und das merkt man, Meist. Und noch faszinierender ist wahrscheinlich, dass diese 20 doch sehr unterschiedlichen Personen, die unterschiedlich alt sind, unterschiedliche Werte und Berufe haben und aus den verschiedensten Gründen in diesem Stadtrat sitzen, in den meisten Fällen einstimmige Entscheidungen treffen. Kampfabstimmungen sind die große Ausnahme.

Fremd war für mich die Methode, wie man zu Entscheidungen kommt, weil in dem Kontext, in dem ich arbeite, eben anders entschieden wird. Es erinnert mich ein bisschen an meine Jugend, in der ich in den unterschiedlichsten Gremien die Pfadfinder, des BDKJ oder der Friedensbewegung saß und heftig diskutierte. Inzwischen habe ich immer wieder Zweifel daran, ob man mit den Werkzeugen „Plenum“ und „Ausschüssen“ effektiv zu vernünftigen Lösungen kommt. Zu oft fehlt das Hintergrundwissen, zu oft blickt man in die Vergangenheit und all zu oft bremsen die Parteistrukturen oder Galeriereden mutige Lösungen aus. Was würde aus einem Unternehmen werden, das so arbeiten würde? Aber das Erstaunliche ist: Es scheint zu funktionieren. Und was ich noch erstaunlicher finde: Es funktioniert in ganz Europa.

Was ist noch anders? Eigentlich schon mit der Idee, eine Liste für Bündnis90/die Grünen aufzustellen, wurde ich zur politischen Person. Das fing harmlos an, mit Fragen nach dem, was wir wollen und wer alles mitmacht. Und jetzt ist es schwierig, aus dieser Rolle des Stadtrats herauszukommen, weil ich immer häufiger in dieser Rolle angesprochen werde: Bevor es um das Wohl der Kinder und der Familie geht, wird beispielsweise erst einmal erörtert, warum der Radweg nach Steiningloh immer noch nicht gebaut wird und warum die Tischtennisplatte nicht neben der Bocciabahn stehen kann. Das hätte ich so nicht erwartet, zumal ich ja als grünes Einzelmitglied nur dann politisches Gewicht auf die Waage bringen kann, wenn die CSU nicht vollständig ist und sich alle anderen einig sind. Also praktisch nie. Aber ich spüre viel Vertrauen, dass ich vielleicht doch da eine oder andere durchsetzen kann. Das schmeichelt mir und es spornt mich auch an. Aber es schwingt auch ein bisschen schlechtes Gewissen mit, weil ich ja so viel nicht erreichen kann.

Was mich aber am meisten begeistert, ist, dass ich noch so viel dazu lernen kann. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass sich für mich, einen ergrauten Herrn in besten Alter, noch einmal ein Bereich öffnet, der gleichsam vor der Haustüre liegt und der mir bislang verborgen geblieben ist. Was wusste ich vor einem Jahr von den Möglichkeiten, Radwege oder Kindergärten zu fördern? Was wusste ich davon, wie schwierig es ist, einen Haushalt mitzuverantworten? Was wusste ich davon, welch immense Auflagen zu erfüllen sind, wenn ein Bebauungsplan geändert wird? Und was wusste ich davon, wie schwierig es ist, eine Entscheidung zu treffen, die zwar mehrheitsfähig und für Hirschau vernünftig ist, aber in einigen Details noch hakt und möglicherweise gar nicht mit den Grundsätzen meiner Partei vereinbar ist? Ich lerne viel (Fortsetzung folgt)

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